Leute wählt: grün (9)

Ich wähle das aus meiner Sicht kleinste Übel. Man kann nicht alles gut heissen, nicht bei Grün, erst recht nicht bei der SPD mit ihrem neoliberalen Profil. Die Grünen sind jedoch nach wie vor die Partei mit einer klaren Perspektive: Im Kern steht nicht Ab- oder Umbau bundesdeutscher Errungenschaften – wie dem Sozialstaat – sondern die klare Alternative auf neue Hochtechnologien zu setzen und ökologisches Augenmaß mit ökonomischen Zwängen sinnvoll zu verbinden. Es gibt etliche Personen unter den grünen Spitzenpolitikern, die mir echt zum Halse heraushängen. Vorneweg der Politbauer Trittin, der viel besser und effizienter im Hintergrund wirken könnte. Fischer, die zwanghafte Führungsfigur mit verblassendem Charisma. Das ist sein letzter Wahlkampf. Claudia Roth, die Oberlehrerin, die bis heute gerne von ihrem Ton-Steine-Scherben-Nimbus zehrt. Doch es gibt andere, die ich sehr schätze: Matthias Berninger, straightforward, weicht gerne auch mal von der Parteilinie ab und steht einfach authentisch für seinen eigenen Kopf. Volker Beck, viel mehr Symbol einer freien, offenen und toleranten Gesellschaft als es der kreisch-Schwule Wowereit je sein könnte – vom Selbstverleugner Westerwelle und den pseudo-freien Liberalen reden wir erst gar nicht. Renate Künast: Energisch, weicht massiven Auseinandersetzungen mit Lobbys nicht aus, im Gegenteil, sie sucht oft genug selbst die Konfrontation. Und Reinhard Bütikofer, ein Politiker immer frei von Polemik, einer der wenigen die es verstehen ruhig und sachlich zu argumentiern.
Alle anderen Alternativen sind für mich keine. Das Übel wäre größer. In meinem Wahlkreis wäre aus taktischen Gründen Stimmensplitting angesagt (1.rot/2.grün). Selbst das werde ich vorraussichtlich nicht tun. Unser SPD-Kandidat ist ein Totalausfall. Den Grünen kenne ich nicht, werde mir heute und morgen mal wenigsten seine Homepage genauer anschauen.
Auch andere haben Argumente für Grün:

Beitrag von Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach, also known as “Der Haltungsturner”:

“Regelmäßige Besucher dieses Notizbuchs werden nicht überrascht sein, wenn ich dazu stehe, dass ich grün wähle und euch bitte, es auch zu tun. Vor allem deshalb, weil eine Stimme für die Grünen die einzige Möglichkeit ist, nicht schuld an Merkel zu sein. Ich denke, wir haben faktisch drei Möglichkeiten: Entweder Rotgrün bekommt die Mehrheit, Schwarzgelb bekommt sie, oder es gibt eine Große Koalition unter Merkel. Eine Zweitstimme für die SPD kann die Große Koalition nicht verhindern. Für die Linkskonservativen zu stimmen, führt ebenfalls ziemlich direkt dahin. Insofern steht wirklich, wie Merkel es auch meint, eine Richtungswahl an – und für die Richtung sozialer und liberaler Reformen steht so eindeutig nur grün. Ich selbst werde schweren Herzens mit der Erststimme den SPD-Kandidaten Ortwin Runde wählen, den ich allerdings persönlich auch ganz gerne mag und lange kenne – denn in unserem Wahlkreis wird es eng werden.
Mit der Zweitstimme aber will ich Reformen, Umweltpolitik und Freiheitsrechte. Da wähle ich grün. Bitte macht das auch!
Fischer mag ich an sich nicht so sehr, das hab ich ja auch schon oft betont. Aber mir geht es um die Sache.”

Jan, Mitinitiator von www.stoppt-merkel.de macht sich auf seinem Blog Webthemen einige Gedanken 2 Tage vor der Wahl. Noch nicht ganz entschlossen und auch auf der Suche nach dem kleinsten Übel schreibt er:

“Also die Grünen wählen? Die sympathische Claudia Roth, um gleich mit der Tür ins Haus zu fallen? Die Grünen, die letztlich alles mitgetragen haben, sowohl Hartz4 als auch Otto Schily? Die Partei, die nur eine sehr bescheidene Umweltpolitik durchsetzen konnte? Ja, das ist der springende Punkt. Die “grüne” Politik der letzten Jahre ist bescheiden, aber nicht ganz unter den Tisch zu kehren. Immerhin ist der Atomausstieg beschlossene Sache, wenn auch mit viel zu langen Restlaufzeiten und den Verbraucherschutzinteressen wird unter Renate Künast ebenso viel Gewicht eingeräumt wie der Agrar-Lobby. Den Grünen kann man vieles vorwerfen, aber keine Partei bringt Umweltpolitik und Verbraucherschutz so deutlch zur Sprache wie diese Partei – nach wie vor!
Last but not least: Wolfgang Gerhardt statt Joschka Fischer als Außenminister..? Ähm?”

Prominente, die sich für die Grünen aussprechen:

— Oskar Roehler, Regisseur (“Agnes und seine Brüder”)
— Inga Humpe und Tommi Eckart, “2Raumwohnung”
— Prof. Axel Honneth, Direktor des Frankfurter Instituts für Sozialforschung
— Prof. Claus Offe, Professor der Politikwissenschaften an der Humboldt-Universität Berlin, und Ulrike Poppe, Studienleiterin für Politik und Zeitgeschichte der Evangelischen Akademie Berlin-Brandenburg.
— Michael Mittermeier, Comedian
— Romy Haag, Entertainerin
— Cordula Stratmann, Comedian “Schillerstraße”
— Peter Illmann, Moderator und Schauspieler
— Georgette Dee, Entertainer
— Monty Arnold, Comedian
— André Eisermann, Schauspieler (“Schlafes Bruder”)
— Peter Lohmeyer, Schauspieler (“Das Wunder von Bern”)
— Helmut Zerlett, Musiker und Produzent (Westernhagen, Harald-Schmidt-Show)
— Prof. Dr. Wolfgang Cramer, Geoökologe und Klimaforscher, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK)
— Kai Wingenfelder, Sänger und Songschreiber »Fury in the Slaughterhouse«
— Feridun Zaimoglu, Schriftsteller
— Hella von Sinnen, Comedian
— Nina Hagen, Rock-Sängerin
— Marco Bode, ehemaliger Fußball-Nationalspieler und Vizeweltmeister 2002
— Maren Kroymann, Kabarettistin und Schauspielerin
— Prof. Dr. Ulrich K. Preuß, Jurist, Politologe
— Dr. Dieter Stolz, Programmleiter Literarisches Colloquium Berlin

  • Jan 16. September 2005 at 4:38 pm

    SPD-Kandidat ist ein Totalausfall.

    Bei uns ist es eine Kandidatin, ansonsten dito! Ich muss sehr ehrlich sagen, dass mir persönlich sogar der örtliche CDU-Kandidat lieber ist.
    Meine erste Stimme geht aber an die Linkspartei, auch wenn sie damit verschenkt ist.
    Meine Zweitstimme “wackelt” noch. Ich sehe zwar auch die angesprochenen pro-grünen Argumente in Sachen Umwelt/Verbraucherschutz, allerdings stimme ich Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach nicht zu, wenn er meint, dass die Grünen für “soziale Refomen” stehen. Sie haben die – aus meiner Sicht – unsozialen (und zugleich ineffizienten) Reformen der letzten drei Jahre mitgetragen. Das ist leider fakt.

  • woweezowee 16. September 2005 at 4:57 pm

    Damit hast du leider unbestreitbar recht.

  • ! 16. September 2005 at 7:20 pm

    Grüne? Aus Atomkraft aussteigen und statt dessen Kohlekraftwerke betreiben? Eine wahrlich ökologische und weitsichtige Entscheidung. Sorry aber Grüne sind für mich Heuchler, nicht nur wegen dieser Sache.

    Linke? Wie realitätsfremd muss man sein um die zu wählen? Ich denke Wirtschaft sollte an allen Schulen zumindest im kleinen Umfang als Unterrichtsfach eingeführt werden, damit die Leute ein Gefühl dafür bekommen wie sowas funktioniert und sich nicht an solches Geschwätz glauben

  • woweezowee 16. September 2005 at 7:25 pm

    Schule. Gutes Stichwort.

  • ! 16. September 2005 at 7:43 pm

    Tja, es tut mir ja sehr leid, dass die Rechtschreibung deinen Ansprüchen nicht genügt, aber darauf lege ich bei comments im Internet nicht den größten Wert. Ansonsten hats gerade noch für ein Diplom gereicht, also mache ich mir da keine Sorgen.

  • woweezowee 16. September 2005 at 7:54 pm

    🙂
    Gut.
    Spannenden Sonntag wünsche ich dir, bei allen Differenzen.

  • Jochen 17. September 2005 at 12:04 pm

    Trackback: Die unbegründete Angst vor der großen Koalition

    Die Zeit liefert hier eine anregende Gegenüberstellung des Für und Widers einer großen Koalition. Grundtenor der von Matthias Krupa geführten Pro-Argumentation ist dabei, dass die bevorstehende Wahl keine Richtungs-, sondern lediglich eine Personalentscheidung

  • Alexander 17. September 2005 at 9:24 pm

    @ “!”

    “Zum Thema Klimaschutz und Atomkraft verweise ich Sie auf ein Interview, das der Präsident des Umweltbundesamtes, Prof. Torge (CDU) kürzlich der Süddeutschen Zeitung gegeben hat:

    SZ: Die Kanzlerkandidatin der Union hat im Falle eines Wahlsiegs auch längere Laufzeiten für Atomreaktoren angekündigt. Freut das den Umweltschützer und Ökonomen im Umweltbundesamt?

    Troge: Die Kernkraftwerke länger laufen zu lassen – über die Zeiträume gibt”s ja sehr unterschiedliche Meinungen -, ist kurzfristig und wirtschaftspolitisch gesehen ein Schritt, der die Stromerzeugungskosten stabilisiert. Nur unter diesem Gesichtspunkt ist das verständlich. Als Umweltschützer sage ich aber, wir haben drei zentrale Probleme mit der Kernenergie, die wir verstärken würden. Das ist erstens das Risiko gegenüber terroristischen Anschlägen, insbesondere mit großen Flugzeugen. Das ist zweitens das Betriebsrisiko an sich, das wir auch in Deutschland haben. Und das ist drittens die Steigerung der endzulagernden Abfälle, die sicher von der Außenwelt abzuriegeln sind.

    SZ: Das gewichtigste Argument ist der Klimaschutz. Man könnte so Zeit gewinnen, um Energie-Effizienz und erneuerbare Stromquellen zu finanzieren.

    Troge: Diese Rechnung geht nicht auf. Es geht ja nicht nur um das Energieangebot, es geht auch um die Nachfrage. Und falls ich Grundlast-Kraftwerke wie Atom-Reaktoren länger am Netz lasse, eine Grundlast, die zudem weitgehend aus abgeschriebenen Anlagen stammt, dann habe ich extrem hohe wirtschaftliche Marktzutrittshindernisse für andere Energieträger.

    Mit freundlichen Grüßen
    die Redaktion (Grüne-Blog)”