CDU in schwerer und ernster Krise

Ja, richtig gelesen. Die CDU ist in einer ernsthaften Krise – zumindest hier in Mannheim. Es geht um die sogenannte “Web-Affäre”. Mindestens zwei gewichtige Politiker der lokalen CDU haben sich im Forum der Onlineausgabe des rechtslastigen und kulturfeindlichen Lokalblattes Mannheimer Morgen (von den Eingeborenen wie mir gerne als “Mannheimer Mogel” bezeichnet) als ganz klassische Trolle erwiesen. Ein Bericht der Wormser Zeitung fasst den Entwicklungsstand der Affäre Ende Juni zusammen:

Sven-Joachim Otto sagte am gestrigen Mittwoch, er habe unter Pseudonymen im Internet Beiträge zu bestimmten Personen wie Finanzminister Gerhard Stratthaus (CDU) oder einem SPD-Kommunalpolitiker veröffentlicht. Gleichzeitig entschuldigte sich der OB-Kandidat von 1998 bei allen, denen er mit seinen Web-Einträgen unter 31 Pseudonymen wie “Frosch”, “Rote Socke” oder “Apache” Schaden zugefügt habe. Zwar handele es sich nicht um Beleidigungen, aber er bedauere diese “Kindereien” und werde nicht wieder für den Gemeinderat kandidieren. Mannheims Bürgermeister Rolf Schmidt hatte ebenfalls eingeräumt, unter Pseudonym Beiträge ins Internet gestellt zu haben. Er habe die Bezeichnungen “ein Intriganten-Trio, das jeder kennt” sowie “verdeckter Strippenzieher” anonym gegen seinen Parteifreund Klaus Dieter Reichardt verwendet. Die “Web-Affäre” hatte Mannheim seit Wochen in Atem gehalten. Im Internet hatten Unbekannte unter Pseudonymen Schmähungen gegen den Mannheimer CDU-Landtagsabgeordneten Klaus Dieter Reichardt abgesetzt. In einem Fall war sogar der “Skalp” von Finanzminister Gerhard Stratthaus (CDU) gefordert worden. Reichardt hatte nach den anonymen Beleidigungen im Februar Anzeige gegen Unbekannt erstattet. (23.06.2005)

Der politische Gegner reagiert entsetzt, z.B. die SPD:

Entsetzt reagiert die SPD-Gemeinderatsfraktion auf die Details, die täglich im Zusammenhang mit der Web-Affäre ans Tageslicht kommen. Unter bis zu 50 Pseudonymen soll sich etwa Bürgermeister Rolf Schmidt (CDU) anonym daran beteiligt haben, politische Gegner diffamiert und öffentliche Meinung manipuliert zu haben. (Pressemitteilung SPD 22.06.2005)

Aber auch Grüne und die weiteren Parteien zeigen Aufklärungswillen:

Die SPD-Gemeinderatsfraktion, vertreten durch ihren Fraktionsvorsitzenden Dr. Frank Mentrup, die Fraktion von Bündnis 90/ Die GRÜNEN, vertreten durch ihren Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Raufelder, die FDP im Gemeinderat, vertreten durch Dr. Elke Wormer und Frau Gudrun Kuch von der Linken Liste Mannheim laden gemeinsam zu einer Pressekonferenz ein. Wir erwarten voller Spannung die Erklärung von Bürgermeister Schmidt zu seiner Rolle in der „Froschkönig-Affäre“ und wollen erstmals in der Geschichte des Mannheimer Gemeinderats die politischen Vorgänge gemeinsam bewerten. (Pressemitteilung Grüne 06.07.2005)

Sowas macht den Wahlkampf auf lokaler Ebene natürlich alles andere als leicht. Arme CDU.

“Egal auf welches Sommerfest ich derzeit komme, es gibt nur ein Thema”, seufzt ein Ortsverbandsvorsitzender der CDU. Die Kommunalpolitiker werden überall auf die Web-Affäre von Bürgermeister Rolf Schmidt und CDU-Stadtrat Dr. Sven-Joachim Otto angesprochen. Statt über die bevorstehenden Bundes- und Landtagswahlen zu diskutieren, stehen “Froschkönig”, “Florida Rolf” und “Apache” zur Debatte, die anonymen Beiträge der beiden unter den “Nicknames” im Morgenweb.” (Mannheimer Mogel 14.07.2005)

Die SPD hat Recht, wenn sie auf die Implikationen für die politische Kultur hinweist und in einer weiteren Mitteilung schreibt:

Die Verstrickungen von Bürgermeister Rolf Schmidt und Stadtrat Dr. Sven-Joachim Otto in anonyme Web-Kampagnen gegen politische Gegner innerhalb und außerhalb der CDU stellen die Grundprinzipien im Umgang mit Öffentlichkeit und eigener Meinung in unserer Demokratie in Frage. Anonym, damit quasi “vermummt”, und getarnt hinter mehreren Dutzend Pseudonymen wurde hier gezielt Stimmung gemacht und politische Meinungsbildung manipuliert. Dies ist ein ungeheurer Vorgang in einer Demokratie, in der die Meinungsäußerung einerseits geschützt – andererseits aber auch von den öffentlichen Akteuren in persönlicher Verantwortung erwartet wird. (Pressemitteilung SPD 20.06.2005)

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft laufen noch. Auf ihrer Homepage lässt die Lokal-CDU verlauten, dass man sich Konsequenzen für die Parteimitglieder für das Ende der Ermittlungen vorbehalte. Was auch immer das heisst, nicht ohne Ironie ist das Banner in der rechten Leiste mit Verweis zum sogenannten “Team Zukunft” – eine der online Wahlkampfplatformen der CDU – unter der Überschrift “Politikwechsel”. Nein, danke. Das wäre wirklich ein Wechsel zurück zu der Partei, die wie keine andere für politische Skandale, Intrigen und Affären steht; da macht die lokale Mannheimer Miniaturausgabe keine Ausnahme sondern deutet nur an, wie sich dies durch alle Ebenen der CDU durchzieht. Gleichzeitig muss man ja dankbar sein, lässt doch gerade die Web-Affäre einen Einblick ins politische Alltagsgeschäft zu und zeigt damit, mit welchen Mitteln der Typ des profilneurotischen Karrierepolitikers bereit ist, sich in der sogenannten “Ochsentour” durch die Ebenen und gegen politische Gegner und Parteifreunde durchzusetzen. Ein Fall zum etwas Schmunzeln, dieser hier. Andere Skandale der CDU waren das nicht.

  • Timos Homepage 21. Juli 2005 at 10:28 am

    Web Affäre in Mannheim

    Über Monate hinweg wurden im Internetform des “Mannheimer Morgen” der Landtagsabgeordnete und Ex-Bundestagsabgeordnete Klaus Dieter Reichardt (CDU) und der baden-württembergischen Finanzminister Gerhard Stratthaus (CDU) teilweise ziemlich…

  • Jan 21. Juli 2005 at 4:36 pm

    Das sind so die Nachrichten, bei den man nicht weiß, ob man lachen oder weinen soll. Immerhin, es wurde aufgedeckt. Das finde ich schon mal sehr schön!

    Manche Politiker sind eben auch nur Trolle…

  • woweezowee 21. Juli 2005 at 5:13 pm

    Gute Ergänzung Timo. Habs aber selbst noch nicht gesehen: “Die Mannheimer Innenstadt ist derweil mit Plakaten der Grünen zugepflastert, mit dem Slogan “An: Froschkönig@Schmidt.de Betreff: Ihre Amtszeit ist abgelaufen”.” 😀

  • Mein Parteibuch 28. Juli 2005 at 9:36 pm

    Internetaktivisten der CDU Mannheim: Stadtrat Dr. Sven-Joachim Otto und Bürgermeister Rolf Schmidt gegen Wilhelm Entenmann?

    Was ich bisher nicht wußte, ist, dass IP Adressen in Mannheim zur Zeit rar gesäht sind, und vor allem, dass JAP und andere nicht-transparente Proxies in Mannheim bei prominenten CDU Mitgliedern bisher weithin unbekannt zu sein scheinen. Auch habe ic…

  • Hannsgeorg Wolf 14. April 2006 at 11:15 am

    Wenn wunderts, das der gemeine Politiker auch gemein ist, wenn es denn um seinen Klüngel, um seine Machtstsellung und letztendlich um seinen Geldbeutel geht. Wie lange aber will der Bürger denn noch zuschauen und seine eigentliche Macht nicht nur am Wahltag, die leider nachweislich stark nachlässt, sondern auch während der Amtsperiode ausüben und Rechenschaft fordern ? Schlieslich sind Politiker sogenannte Volksvertreter. Sollten es wenigstens sein !