…also keine “Kultur”-Technik, wie z.B. Andreas in seinem häufig verlinkten Beitrag meint?
Nein. Die Technik ist ein CMS mit netten Features wie RSS, Trackbacks & Co.. Während dieser Begriff in der Tat nur ein System beschreibt (“Content Management System”), beschreibt die Bezeichnung Weblog inhärent eine Tätigkeit. Sie rührt von den Begriffen “web” und log” her, also dem kontinuierlichen Erfassen und Veröffentlichen von Webfundstücken oder eben Persönlichem – letztere Entwicklung führte auch zu der heimeligen Umgestaltung zu “we blog”. Beide Tätigkeiten, für die sich recht spezifische Praktiken herausbilden, sind in ihrer Anlage kulturelle Tätigkeiten; dafür benötigt wird die Technik, bei der es sich um “kleine” CMS handelt.
Bloggen ist also in der Tat eine Kulturtechnik. Keine Frage, wie jeder andere kulturelle Raum unterliegt auch die Blogossphäre einer beständigen Wandlung, Umformung, Neu-Interpretationen und dem ständigen Aushandeln der Parameter durch die einzelnen Akteure. Das Schöne an Blogs ist, dass dies ganz direkt, schnell und in absoluter Öffentlichkeit (im Sinne von “bewusster Öffentlichkeit” im Vergleich zum unbewussteren Aushandeln im Falle von z.B. sich verändernden, langjährigen Kulturtraditionen) passiert – meist in den Kommentaren oder Blogeinträgen mit konkretem Bezug zu anderen Texten bzw. Statements, aber auch in Blogs nur mittelbar Beteiligter an einer konkreten Sache.
Seit längerem nun lässt sich dies an den Debatten um die teilweise Kommerzialisierung mancher Blogs/Blognetzwerken studieren. Ich bin mit meiner Arbeit zu der divergenten Blogosphäre aus Job-Gründen noch nicht weiter gekommen, aber über mangelndes Material darf man dieser Tage wirklich nicht klagen.
Zu den Highlights zählen die Kommerz-Blogs “Schlämmer” und “DSDS” ebenso wie der Start von adical durch Spreeblick und Sascha Lobo oder die Playstation-PR-Aktion von Nerdcore und Anderen. Eifrigster Konservativer ist Don Alphonso, der damit durchaus meine Symphathien genießt. Keinesfalls handelt es sich bei den aktuellen Diskursen um ein Schwarz-Weiß-Zerrbild, im Gegenteil bin ich überrascht über die vielen teils sehr persönlichen, aber offen angesprochenen Ansichten – lediglich die Mainstream-Presse versucht sich am plumpen Herunterbrechen anhand von irgendwelchen prognostizierten Zahlen. Und ich denke beim beliebten Vergleich mit Indie-Bands immer an Bleach-Nevermind, Funeral-NeonBible und schleppe auch die ein oder andere Angst mit mir rum. Aber das hinkt natürlich immens ;). Dennoch geht es wie bei der aktuellen Fake-my-Digg-Aktion um wesentliche blogkulturelle Werte wie Glaubwürdigkeit und Authentizität.
Kann man dann eventuell sagen, die Blogossphäre sei in der Pubertät? Möglich, aber das zeichnet ein Erwachsenenalter vor, eine gewisse Reife und damit ggfs. auch Statik. Kulturen bleiben aber immer in Bewegung.
P.S. 6.März: Jetzt ist es doch passiert. Alles festgezurrt vom Blog-Erfinder himself, dem Carsten. Vielleicht war’s ja doch an der Zeit für klare Regeln 😉
Andreas 5. März 2007 at 6:51 pm
Du hast Recht. Natürlich kann man das Bloggen als Kulturtechnik bezeichnen. Ich meinte aber allerdings dieses Geflecht, was als Blogosphäre bezeichnet wird.
Kommst Du zur Re:Publica?
woweezowee 5. März 2007 at 7:33 pm
Re:Publica muss ich nochmal genau schauen mit Terminen und Übernachten und so. Würde eigentlich gerne.
Das mit dem Recht haben gebe ich auch zurück: “Die Blogossphäre” als irgendwas total homogenes gibt es ja wirklich nicht. Ich frage mich auf, interessiert einen 16-jährigen Tagebuch-Blogger z.B. die Kommerzdebatte bzw. alles “meta” überhaupt? Spannend ist’s in jedem Fall.
Joe 10. März 2007 at 6:14 pm
Ich denke ehrlich gesagt nicht, dass uns eine Berluconisierung der Blogosphäre bevorsteht, aber bedenklich finde ich schon, dass man einfach nicht weiß welche Motivation sich hinter einem Blog verbirgt (wenn nicht grade ein Banner im Blog flackert). IMHO sollte auf jeden Fall ersichtlich sein, ob kommerzielle Aspekte hinter einem Blog stehen!!!
Meinen vollständiger Kommentar dazu gibts hier:
http://pupileye.blogger.de/topics/All about Bloggen/
woweezowee 11. März 2007 at 11:06 am
Lasst uns auf jeden Fall festhalten, es gibt schlimmeres als Werbung in Blogs (hier ja auch für EMedoc & regioactive.de, zwei kommerzielle Projekte an denen ich mitwirke), z.B. das alte leidige Thema mit den Rechtsaußen. Dieser ganze Sumpf geht mir weit mehr auf den Senkel.