Bei Lautgeben.de wurde zuerst genörgelt, der ZEIT fiel es ins Auge und auf dem FR-Blog macht sich Lutz Büge Gedanken zur Renaissance des Schlagwortes vom “Clash of Civilizations” (hierzulande eingedeutscht als Kampf der Kulturen). Dem Schinken sprang aus verschiedensten Seiten Kritik entgegen, aber weil er nun mal ausgesprochen simple Erklärungsmuster und griffige Schlagwörter auf BILD-Niveau bietet, kommt immer wieder wer auf die Idee das Teil aus dem verstaubten Regal (sicher meist das ganz weit rechts) herauszukramen. Und im Falle des Karikaturen-Streits drängt sich diese Gedankenkrücke ja geradezu von selbst auf.
Kritik lässt sich wie erwähnt von unterschiedlichen Standpunkten aus anbringen. In einem Artikel von Harald Müller heisst es beispielsweise:
Der kulturelle Faktor ist wichtig, aufgrund der Globalisierungsfolgen auch deutlich wichtiger als in der vergangenen Geschichtsepoche. Er wird jedoch durch andere Prozesse gebrochen und relativiert: durch die Machtrivalitäten der Staatenwelt, durch die Kooperationszwänge der Handelsstaaten in der Wirtschaftswelt, deren Zahl zunimmt, und durch die Beziehungen der Gesellschaftswelt über Staatengrenzen hinweg.
Es ist völlig korrekt darauf hinzuweisen, dass Huntington andere Prozesse deutlich unterbewertete. Sein Futter fürs schlichte Gemüt fällt aber bereits viel früher in sich zusammen. Es beginnt bei den Begriffsdefinitionen. Der Politologe Jochen Hippler macht dies u.a. am Zivilisations-Begriff fest:
[Es] … stellt sich die Frage, was Huntington eigentlich unter seinem Begriff der „Zivilisation“ versteht. Seine Antwort: „A civilization is a cultural entity. … A civilization is […] the highest cultural grouping of people and the broadest level of cultural identity people have short of that which distinguishes humans from other species. It is defined both by common objective elements, such as language, history, religion, customs, institutions, and by subjective self-identification of people.“ Diese Begriffsbestimmung ist sehr allgemein und wirft mehr Fragen auf als sie beantwortet. Wie etwa Sprache, Religion oder Sitten und Gebräuche als „objektive Kriterien“ einer Zivilisationsbestimmung gelten könnten, bleibt das Geheimnis des Verfassers.
Dazu fährt er fort:
Es geht Huntington nämlich überhaupt nicht um abstrakte Probleme allgemeiner Zivilisationen, sondern um konkrete außenpolitische Konfliktlinien. … Die kurze Fingerübung luftiger Begriffsbestimmung war nur ein Köder für die Feuilletonchefs, Mediengurus und Freunde einer modisch kulturalistischen Debatte.
Viel gefährlicher ist aber der überkommene Kulturbegriff, auf den sich Huntington stützt. Grobschlächtig zeichnet er “Kulturen” als homogene Einheiten, die zu Veränderungen nicht wirklich fähig sind und deshalb zwangsläufig miteinander kollidieren müssen. Hier ist man in den bei diesen Themen geforderten Wissenschaften — von der Ethnologie bis zur Geografie und weiter — längst über dieses simplifizierende Konstrukt hinaus. Kultur ist nichts festgefügtes, unveränderliches, kein “Ding” das einem anhaftet und das man auf Lebzeiten nicht mehr los wird. Im Gegenteil ist Kultur ein Prozeß, das stete neue Aushandeln von Bedeutungen und Werten. Genau dafür ist der Karikaturen-Streit auch das derzeit beste Beispiel: Eine Minderheit instrumentalisiert die Affäre, um ihre Ansichten und Hoffnungen auf einen radikalen Islam zu promoten. Andere widerstehen dem, verurteilen die Gewalt. Ein ganz wichtiger Punkt dabei ist, und das wird bei vielen Kommentatoren zum Streit leider deutlich: Argumentiert wird mit der angenommenen “vormodernen” Kultur in den mehrheitlich muslimischen Regionen. Vor x Jahren habe ja auch hier noch solch finstere Zeit geherrscht. Nein. Kultur als Prozeß heisst auch, sich klar zu machen, dass es sich um ganz aktuelle Reaktionen auf die jeweils aktuellen Fragestellungen handelt. Als Beispiel lässt sich W. Schiffauers Studie Die Gottesmänner heranziehen. Er untersuchte, wie es zu der Radikalisierung der Kaplan-Gemeinde (u.a. als direkte Reaktion auf die türkische Politik) kommen konnte. Nicht nur am Einzelbeispiel wird deutlich, dass es sich in der Tat oft um ganz moderne Antworten handelt, wie es in einem ZEIT-Artikel von 2001 zusammengefasst ist. Natürlich transportieren die Bilder der brennenden Botschaften ein anderes Bild; nur wer dies als die ganze Wahrheit nimmt, geht auf dem Holzweg. Einerseits dürfen diese Entwicklungen und Gefahren nicht ignoriert werden, andererseits muss es auch “… um den Schutz der muslimischen Mehrheit vor islamistischen Ansprüchen” gehen, wie Prof. Dr. Ursula Spuler-Stegemann in einem auf den “Islam in Deutschland” bezogenen und größtenteils ausgesprochen kritischen Text schließt. Sie zitiert einen türkischstämmigen Deutschen mit den Worten:
„Wir wollen nichts anderes als Normalität. Wir wollen keine Benachteiligung, keine Bevorzugung, keine Sonderrechte. Wir wollen nur einfach als Menschen akzeptiert werden!”
Führt ein Kulturbegriff wie jener von Huntington jemals zu dieser Akzeptanz, zu gegenseitigem Respekt? Keineswegs, denn implizit wird das Etikett der schlechteren “Kultur” zuerst selbst konstruiert, dann anderen angeheftet und letztendlich als unablöslich deklariert.
Edward Said, der sich in seinen Arbeiten u.a. mit dem westlichen Blick auf den Islam auseinandersetzte, nahm 2001 in einem Essay der WELT Stellung zum “Kampf der Kulturen Ignoranten”:
In seinen kämpferischen Überlegungen bezieht sich Huntington immer wieder auf einen 1990 erschienenen Aufsatz des altgedienten Orientalisten Bernard Lewis, dessen eigene ideologische Ausrichtung schon im Titel seines Textes deutlich wird: “Die Wurzeln der muslimischen Wut”. Beide Aufsätze argumentieren bedenkenlos mit den Großkategorien “der Westen” und “der Islam”, als wären so komplexe Fragen wie die nach Identität und Kultur in einer Comicstrip-Welt angesiedelt, in der Popeye und Pluto gnadenlos aufeinander einprügeln und einer der beiden sich immer wieder als der überlegene Schläger erweist. Weder Huntington noch Lewis hielten sich lange bei der Frage nach der inneren Dynamik und Pluralität jeder einzelnen Kultur auf oder bei dem Umstand, dass der Streit in den meisten modernen Kulturen gerade um die Frage nach der Definition oder Interpretation der eigenen Kultur kreist, und noch weniger zogen sie die unerquickliche Möglichkeit in Erwägung, dass ein gehöriges Maß an Demagogie und schlichter Unwissenheit ins Spiel kommt, wenn man glaubt, für eine ganze Religion oder eine ganze Zivilisation sprechen zu können. Nein, Westen bleibt Westen und Islam bleibt Islam, und damit hat es sich. (…) In Wirklichkeit ist Huntington ein Ideologe, der aus “Kulturen” und “Identitäten” etwas machen will, was sie nicht sind – nämlich in sich geschlossene, gegeneinander abgeschottete Wesenheiten, denen all die Nuancierungen, die unzähligen Strömungen und Gegenströmungen ausgetrieben sind, die die Menschheitsgeschichte beleben und die im Laufe der Jahrhunderte dafür gesorgt haben, dass diese Geschichte nicht nur von Religionskämpfen und Eroberungskriegen erfüllt war, sondern auch von Austausch, gegenseitiger Befruchtung und Weitergabe.
Was er bereits damals in Bezug auf 9/11 in dem Essay schrieb, sollte auch heute bedacht werden: “Aus dem von einer kleinen Gruppe geistesgestörter Selbstmordattentäter geplanten, furchtbaren Massenmord hat man nun einen Beweis für Huntingtons These gemacht.” Genauso sind die Schreckensnachrichten und Bilder von aufgestachelten radikalen Islamisten kein Beweis dafür, dass die Welt so simpel und einfach gestrickt ist, wie dies Huntington und so mancher Leitartikler gerne hätte; und ganz abgesehen davon, dass damit längst nicht alle Fragen überhaupt nur gestellt wären.
Ethnologie in den Medien / Presseschau (neu) 7. Februar 2006 at 8:42 pm
Leidiger Kulturkampf, ein paar Links und hoffentlich ist bald Schluss…
Die Kontroverse um diese Mohammad-Karikaturen nimmt kein Ende und die Zeitungslektuere macht keine Freude – siehe Titelseite einer von Norwegens meistgelesener Zeitungen (unabhaengig von Alter und sozialer Schicht). Text: “Extremisten auf der Jagd na…
radyo hosting 17. Mai 2008 at 3:02 pm
also ich glaube nicht das es 9/11 die moslems waren das war ein komplott warum? also wenn ich einen solchen anschlag verüben würde würde ich das nicht morgens machen wo keiner da ist oder nur 3000 ich hätte es gemacht wenn die beiden buden voll sind und kein terroristwürde sich mit so wenig ab geben der sin ist doch so viel schaden wie nur möglich anzustellen. Nicht das ich mich freue über die sache es ist aber nicht gerecht es den moslems an zuhängen.
mfg
sahin