Washing Machine (Plattenkritiktestpost)

PLATTENKRITIK: SONIC YOUTH “WASHING MACHINE”
Was das jetzt soll? Warum ich eine so olle Kamelle raushole? Nun, in meiner Rubrik “reingehört” soll es zukünftig Plattenrezensionen geben. Nicht jetzt sofort, vielleicht nicht mal in den kommenden 6 Monaten (Magisterarbeit, jaja), aber irgendwann. Und jetzt teste ich, mitten in der Nacht, wie ich das am besten einbaue. Dafür wollte ich keinen der üblichen Cicero-Texte, denn mit dem Latein stehe ich auf Kriegsfuß. Also muss dieser Text aus dem Jahr 1995 oder 96 herhalten. Vielleicht ja einfach auch ein Anlass, diese Platte nochmal aus dem Schrank zu holen, vom Staub zu befreien und sich freuen, nach langer Zeit wieder reingehört zu haben. //

Seit 1981 gibt es sie nun schon, die ‘ Könige des Independent-Underground’ oder wie auch immer man die wohl wichtigste Post-Punk Band der letzten 15 Jahre bezeichnen möchte. Bestehend aus dem ‘John Cage der Gitarre’ , Thursten Moore (guit.,voc.), seiner Frau Kim Gorden (bg.,voc.), Lee Ronaldo (guit.,voc.) und Steve Shelley (dr.) lieferten die 4 New Yorker schon 14 Alben fernab jeglichen Kommerzes ab. Unaufhaltsam war ihre musikalische Entwicklung:
Vom extremen Gebrauch der Rückkopplungen, Interferenzmuster und psychadelischen wie chaotischen Improvisationen hin zu festeren Songstrukturen, ohne jemals ihren urtypischen Sound oder den Kontakt zu ihren Roots zu verlieren. So auch auf ihrer neuesten Veröffentlichung “Washing machine”. Unverkennbar Sonic Youth und doch wieder anders als ihre anderen Platten.
Das spannungsgeladene Verhältnis zwischen Punk/Guitar-Noise und Popmelodie besteht auch hier durch das gesamte Album hinweg. Ohne sich selbst zu kopieren haben die Sonics wieder einmal ein Klassealbum produziert.
Allein der Opener zeigt schon die musikalische Marschrichtung an: Sraight nach vorn, rhythmisch geprägt vom spartanischen aber mehr als nur effizienten Schlagzeugspiel von Steve Shelley und dem treibenden Bass, der mehr von der Intonation als von schnellen chromatischen oder pentatonischen Läufen lebt. Über diesem soliden Groove bilden die beiden Gitarristen ihre Klanggebilde, wunderschön dissonant und rhythmisch anspruchsvoller als früher. Dazu gesellt sich der ausdrucksstarke, etwas gequälte aber immer noch erotisierende Gesang von Kim. Ein Klassesong und damit schon der erste Höhepunkt der Scheibe. Doch wer denkt, damit hätte sich die gesamte Energie der Sonics schon entladen, der hat weit gefehlt.
Weiter geht’ s mit “Junkie’s promise”, bei dem Thurston Moore -über dessen gesangliche Qualität man sicher streiten kann- die Stimme ergreift. Der Song wird erst nach mehrmaligem hören richtig gut, dann aber zur Sucht wie alle anderen. In “Saucer-like” beweist Thurston dann doch sein melodisches Gesangstalent. Die träumerische Strophe wird durch den mit Sprechgesang unterlegten abgedrehten, fast gewaltsam protestierenden Zwischenpart unterlegt. Einer meiner persönlichen Anspieltips. Hörenswert fortgesetzt wird das ganze mit dem Titelsong “Washing machine”, der in einem typischen improvisatorischen Part zu seinem Ende findet, bei dem über den satte 2 Töne umfassenden Basslauf gitarrentechnisch abgenudelt wird was die Saiten nur so hergeben und in einer Soundcollage enden zu droht, bevor das Ruder in Richtung eines melancholischen Ausklingens rumgerissen wird.
Dieser Stimmungsmoment wird dann nahtlos in “Unwind” aufgenommen, bevor es mit “Little Trouble Girl” und “No Queen Blues” die zwei besten Songs des Albums zu hören gibt, atmosphärisch unglaublich dicht. Bei ersterem hat wohl ein Weihnachts- oder Kinderlied die Inspiration zur Melodie geliefert, letzterer ist das absolute Anspieltip-Muß. Ohne Niveauverlust nach diesem Ohrenschmaus folgen dann die letzten drei Songs des Albums, von denen ich “The Diamond sea” noch besonders hervorheben möchte, der eine Sonic Youth untypische hoffnungsvolle Stimmung verbreitet, die die ansonsten nicht weichen wollende Spannung eines Alptraums unterbricht, natürlich nicht ohne musikalisch doch noch Zweifel an dieser Hoffnung anzumelden.
Auch noch hörenswert die zwischen “Panty lies”(Song acht) und “Skip Tracer” eingeworfene, entfremdete Reprise von “Becuz”, dem oben erwähnten Opener dieses gelungenen Albums. Als einziges Manko muß aber das Fehlen der Songtexte noch erwähnt werden, die man doch gerne mal gelesen hätte. Es bleibt aber der Eindruck eines gefühlsintensiven Werkes, das einen Spiegel des heutigen Weltgeschehens darstellt und mit dem sich Sonic Youth endgültig in die Reihe der Rockkultbands gesellt haben.

Washing Machine

(1995/mb)