Ich bin dank delicious gerade auf die Interviewreihe “Conversations with history” gestoßen. Diese Reihe des Instituts für internationale Studien an der Universität Berkely mögen viele bereits kennen: Seit 1982 hat ‘Host’ Harry Kreisler mittlerweile über 300 Interviews für Conversations with history geführt. In einem Interview aus dem Mai 2001 kommt auch Manuel Castells zu Wort.
Der Bogen des Gespräches spannt sich dabei von seinem persönlichen Hintergrund über die Definition der Netzwerkgesellschaft bis zur Herausstellung der Bedeutung von Identität – im Prinzip ein Rundumschlag bzw. eine Einführung in seine Triologie über das Informationszeitaler.
Man kann das Interview hier sowohl als Transkription nachlesen oder es sich als knapp einstündiges RealVideo in akzeptabler Qualität anschauen.
Seine Definition der Netzwerkgesellschaft
“…a society where the key social structures and activities are organized around electronically processed information networks. So it’s not just about networks or social networks, because social networks have been very old forms of social organization. It’s about social networks which process and manage information and are using micro-electronic based technologies.”
und weitere Schlußfolgerungen daraus können meines Erachtens auch zu einer Klärung beitragen, weshalb Weblogs in zunehmenden Maße wichtig und bedeutend werden. So spannt sich in seiner Argumentation unter anderem der Bogen von der Feststellung, dass 2/3 alle Bürger der Welt ihren Regierungen nicht trauen (eine Ausnahme bilden die skandinavischen Demokratien), hin zu den Verweisen auf erfolgreiche über das Internet organisierte Bewegungen wie Umweltorganisationen oder Globalisierungskritiker. Zudem schreitet die Individualisierung weiter fort:
“So we have individuals and communities, and in between, the civil society and the state — they don’t vanish, but they are dramatically weakened. And the civil society and the state were, in fact, the institutions that emerged as forms of social organizations in the industrial age.”
In diesem Kontext sind (oder können sein) Weblogs die Stimmen der Individuen mitten in einem Prozeß der Aushandlung neuer Identitäts- und Machtbeziehungen zwischen Staat, globalen Wirtschaftsakteuren, lokalen Gemeinschaften und traditionellen Massenmedien. So sehr ich das jetzt hier verkürze, so sehr wird das deutlicher in Castells Ausführungen in dem Interview (und natürlich in seinen Büchern; diese sind jedoch weitaus anstrengender ‘für den Einstieg’).
Dadurch, dass das Interview bereits 2001 geführt wurde, ergeben sich auch einige nette ‘sidenotes’ – wie zum Beispiel bei den Ausführungen zu den Zusammenhängen zwischen Kriegsführung und Informationstechnologie:
“The notion that Iraq was going to strangle the oil supply of the West, in fact, was halfway credible for a while and then disappeared. No one thinks that Iraq is really a threat for the Western world.”
Ja, da hat er wohl nicht mit GWB gerechnet.
Wem das Interview gefällt, wer keine Lust auf Sonntag Abend-Fernsehen hat, der kann sich im Anschluß ja noch 3 Stunden lang mit 2 Gesprächen zwischen Kreisler und Noam Chomsky kurzweilig unterhalten lassen.