Mein Gott. Dies ist eines der schrecklichsten Fotos aus dem Irak, das ich bisher zu sehen bekam. Da kommen die Tränen. Kann es einem grauenhafter ergehen als diesem Mann, der den abgetrennten, kalten, leblosen und blutverschmierten Kopf seines eigenen Bruders umarmt und betrauert? Was um alles in der Welt mag in seinem Kopf, in seiner Seele, dem Herzen, Bauch, Beinen – seinem ganzen Geist und Körper – vorgehen?
Sicherheit im Irak ist nach wie vor ein Fremdwort, im Gegenteil, die Gewalt nimmt stetig zu. Dabei ist es vorerst unerheblich, wer konkret für diesen Mord verantwortlich ist. Vor Ort geht es zwischen all den Gruppen drunter und drüber tiefer hinein in die Gewaltspirale. Aufstand gegen Besatzung und vermeintliche Kollaborateure, Schiiten gegen Sunniten und wohl insbesondere umgekehrt, Kriminelle gegen alle. Eine heillose Situation und weder die Besatzer noch die irakischen Sicherheitskräfte werden der Lage Herr. Doch gerade nachdem die USA den anfänglich mit Massenvernichtungswaffen und dem Krieg gegen den Terror gerechtfertigten Krieg in einen Kampf für die Freiheit des Irak und der Iraker umgedeutet haben, darf man die Sicherheit doch nicht dermaßen aus den Fugen geraten lassen. Kann einem durchschnittlichen irakischen Bürger die us-amerikanische Freiheits- und Demokratieformel für den Irak den Kopf des eigenen Bruders wert sein? Alle Versuche der USA, Ordnung ins Chaos zu bringen sind gescheitert oder provozieren mehr Gewalt – als Symbol steht dafür nach wie vor das zerstörte Fallujah. Eine Ausnahme bildet möglicherweise die Wahl vom Januar; doch auch hier steht die Lösung eines der schwersten Probleme für die Gewählten und alle Iraker noch aus: Die Schaffung einer integrierenden, funktionierenden und überwiegend akzeptierten neuen Verfassung.