Liebes Tagebuch,
die vergangenen 3 Tage habe ich meine Zeit verschwendet. Ich musste dorthin, weil ich aktuell nur freie Projekte und mögliche Doktorarbeitsthemen vorantreibe, aber keine neue Festanstellung habe. Es handelte sich um eine sogenannte Trainingsmaßnahme der Arbeitsagentur, veranstaltet von einem sogenannten Dienstleister für Bildung und Arbeit. Auf dem Programm stand dieses ominöse Internetz, von dem du bestimmt auch noch nichts gehört hast; wie das so funktioniert, insbesondere natürlich das Jobportal von arbeitsagentur.de. Falls es dich interessiert, berichte ich gerne mehr darüber. Ich weiß jetzt, wie das funktioniert mit diesem Internetz — bisher kannte ich doch nur Tagebücher wie dich mit trendigen Katzenfotos. Und aus der Arbeitssuchenden-Statistik bin ich diesen Monat endlich raus. Du ahnst es: das war der einzige Sinn der Veranstaltung. Aber eigentlich wollte ich einen traurigen Moment mit dir teilen.
Zwischen den Internetz-Einblicken mit 100 Leuten an ca. 40 Rechnern gab es ab und an auch sowas wie Miniseminare ohne Konzept zum Thema Bewerbungen an sich. Es ging gerade um Stellenanzeigen, um die Frage welche Infos man da für sich herausziehen, was einen möglicherweise nicht gleich abschrecken sollte usw.
Der Aufforderung des konzeptlosen Miniseminar-Leiters (O-Ton: “Ich bin ein konzeptloser Chaot und faul, bitte sehen sie mir dies nach”), eventuell mitgebrachte Stellenanzeigen als Beispiel vorzuzeigen, kam ein ungefähr 52-jähriger und gepflegter Mann nach. Er packte seinen klassischen Aktenkoffer auf den Tisch und zog eine wertige Ledermappe daraus hervor. Nachdem er diese geöffnet hatte, befreite er tatsächlich eine Stellenanzeige aus ihrer Klarsichtfolie. Ganz offensichtlich handelte es sich um eine aus der Tageszeitung ausgeschnittene Anzeige — und jeder im Gruppenraum dachte wohl, dass er diese sicherlich vor kurzem aufgetan hatte und aus seinem großen Interesse an dem dargebotenen Jobangebot heraus, diese eine Anzeige so sorgfältig behandelte.
Doch die Anzeige war alt. Seit ihrem Erscheinen waren waren laut dem adretten Herrn 25 Jahre vergangen. Es war jenes Stellenangebot, auf das er sich vor 25 Jahren erfolgreich beworben hatte. Es war das Stellenangebot auf seinen letzten Job.
Wilhelm 30. August 2006 at 11:47 pm
Nun Herr Nachbar, wer weiß, wie und an wen diese, sowie andere Maßnahmen der Arbeitsagentur in Mannheim vergeben worden sind, nämlich schön verteilt auf zehn so genannte Wohlfahrtsverbände, deren Mitarbeiter zwar ein großes Herz, aber keine Ahnung von Didaktik und dem Lehrstoff selbst haben und zugleich die Evaluation meiden wie der Teufel das Weihwasser, der mag erkennen, daß sich auch soziales Denken und Handeln an der Qualität messen lassen und sich dem Markt stellen muß.
Die Elfenbeinturmwelt im Schloss ist schön weil sicher und es lassen sich gut Reden schwingen, aber ganz lehrreich sind zuweilen auch Erfahrungen in M1.
Jedem gönne ich ein Lben zwischen Schneckenhof und A5, vom Vordiplom bis zur Habilitation – aber er möge schweigen, wenn er nicht das Leben kennt.
Sehen Sie Ihre Erfahrung also positiv und vielleicht haben Sie erkannt, daß nicht alles sozial ist, wo dies drauf steht.
woweezowee 31. August 2006 at 10:52 am
Grüß dich Wilhelm,
dein Kommentar verstehe ich mal wieder gar nicht. Erstens: Nix Wohlfahrt, sondern boomende Privatwirtschaft (Business mit Arbeitssuchenden. Der konzeptlose Herr war übrigens bereits in mehreren Unternehmen als Personalchef tätig). Frag doch erst mal lieber nach und informiere dich, gebe doch gerne Auskunft. Zweitens: Schloss? Hä? War ich nie. Drittens: Sozial? Hälst mich echt für naiv oder was?
Und positiv ist das nicht. 3 Tage verloren. Ich habe echt genug zu tun, jetzt und in Zukunft, so dass dies leider doch unter “negativ” verbucht bleibt.
Du liest meine Texte nicht richtig, weil du ganz offensichtlich voreingenommen bist und irgendein festes Bild im Kopf hast, das null mit der (lies: meiner) Realität zu tun hat.