Zuviel Kompetenz macht unsympathisch

“Zuviel Kompetenz macht unsympathisch” sagt Herr Stromberg und erinnert mich dabei an hunderte von Journalisten und andere Schreiber, die derzeit — knapp 2 Tage nach der Wahl — x Szenarien entwerfen. Jamaika, GroKo & Co.; ich werde mich sicher auch noch bloggend äußern, aber es treibt mich momentan nicht so sehr dazu. Abstimmen läßt sich u.a. auf wahlblog05. Am ehesten stelle ich, was mich angeht, mal 2 Dinge fest:

Ich bin zufrieden mit meiner Wahlentscheidung und nun im Nachhinein sogar von Joschka Fischer positiv überrascht. Er und die grüne Partei scheinen mir momentan die einzigen zu sein, die relativ gelassen den kommenden Verhandlungen entgegensehen und die Zeit der konfusen Debatten nun erstmal nutzen um sich neu zu sortieren. Typisch Grüne wird es nicht dazu kommen, dass wie bei SPD und Union die Spitzenkandidaten umgehend Zustimmung und Unterstützung simuliert bekommen, sondern ganz im Gegenteil — durch Fischers heutige Ankündigung — zu einer offenen Abstimmung über den Fraktionsvorsitz. Lotto spiele ich nicht, bei betandwin bin ich gescheitert, aber ich tippe mal auf Kuhn & Göring-Eckardt. Letztere repräsentiert “Frau” und “Osten”. Gute Arbeit in den letzen Jahren kann man ihr ebenfalls nicht absprechen. Kuhn repräsentiert einen der stärksten Landesverbände “West” und die andere Hälfte der Quote. [Nachtrag: Kuhn und Künast sind es dann geworden]

Meine zweite Feststellung betrifft die Debatte über eine Spaltung der Deutschen, die weder der einen noch der anderen “klaren” (?) Alternative eine Mehrheit gaben. Ich sehe keine Spaltung, und das ist der große Vorteil unseres politischen Systems und dem Wahlrecht. Die Parteien sind jetzt aufgerufen miteinander zu reden, der Wahlkampf ist vorbei. 2 extrem gegensätzlliche Pole wie wir es z.B. im Zwei-Parteien-System der USA vorfinden, können sich somit erst gar nicht durchsetzen. Mehrheiten wollen in dieser Situation ganz neu gefunden werden. So gesehen ist “der deutsche Wähler” mit “seinem” Willen einer der Gewinner der Wahl, denn er hat den Parteien jeder Coleur aufgetragen auf Christiansen-Politik zu verzichten und dafür in den Hinterzimmern offene, aber konstruktive Worte zu wechseln. Da kommt die Politikerkaste nicht drum rum. Die Glaubwürdigkeit aller ist gleichermaßen bedroht.

Was da bei rum kommen kann und eventuell kommt, bleibt 48 Stunden nach Wahlergebnis noch offen. Jede Äußerung — in jeder Partei erklingt ein vielstimmiger Chor — muss noch mindestens bis Ende der Woche 2 Latten tiefer gehängt werden. Tag für Tag werden die Aufgeregtheiten mehr abnehmen und die Alternativen klarer erscheinen.

  • Marian Wirth 21. September 2005 at 2:37 pm

    Och menno, wann soll man denn diskutieren, wenn nicht 48 Stunden nach der Wahl? Und wo, wenn nicht in Blogs? (wenn man nicht gerade taz-LeitartiklerIn ist). In meiner Partei darf ich nicht diskutieren. [Jaja, SPD-Mitglieder sind natürlich an ihrem Unglück selbst schuld, schon klar.]

    Ansonsten: volle Zustimmung! Ich hätte mir nur gewünscht, dass sich der Kanzler wenigstens nach der Wahl an das hält, wegen dem er den ganzen Aufriss veranstaltet hat. Diese Naivität muß noch aus meiner Zeit bei den Grünen stammen…

  • woweezowee 21. September 2005 at 2:58 pm

    Ich bin halt lieber etwas vorsichtig aufgrund der Vielstimmigkeit der Debatte. Und etwas unentschieden dazu. Ich habe keinerlei Interesse an der GroKo, bei der Schwampel befürchte ich die Grünen werden zu sehr aufgerieben und die Ampel glänzt auch nicht Gold — davon abgesehen dass sich Westerwelle und Parteifreunde mittlerweile mächtig weit aus dem Fenster gelehnt haben mit ihrer Absage an diese Konstellation. Naja, wenn noch etwas Zeit ins Land gegangen ist wird sich schon reelles von Machtwunschdenken trennen.

  • Marian Wirth 24. September 2005 at 2:16 pm

    Ich fand die Vielstimmigkeit der Debatte gerade gut. Jetzt, wo die Würfel gefallen sind, wird keiner mehr über Jamaika diskutieren. Deshalb finde ich es nach wie vor richtig, dass das Thema diskutiert wurde, als es noch heiss war.

  • woweezowee 24. September 2005 at 2:45 pm

    Interessant fand ich die Vielstimmigkeit auch, aber wie man nun sieht läuft es eh drauf raus was vor der Wahl schon absehbar war. Richtig interessant wirds wieder, wenn schwarz-grün in einem Land mal angedacht würde. Baden-Württemberg könnte ein solches sein.

  • S&P data blog 2. November 2005 at 11:43 pm

    VIEL KOMPETENZ MACHT UNSYMPATHISCH!

     Vor allem bei anderen Chefs. Die "Titanic" wurde von Profis gebaut, die Arche Noah von einem Amateur. So muss man das sehen!